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02/aCHzig_IM PRIORAT_Wo Mönche von der Zukunft träumen

Der einzigartige Charme des Priorat liegt wohl auch daran, dass es keine eigentliche, touristische Infrastruktur zu bieten hat. Keine großen Hotels, schon gar keine Kettenhotels, auch keine 5*Tempel, keine Wellnessoasen, keine Golfplätze, kein Fastfood, keine Clubs… gar nichts von alledem. Nada, niente, Fehlanzeige. Herrlich! Und solltest du das vermissen, einen Abend ohne Fernsehen nicht überstehen, dann tut's mir leid, dann hast du im Priorat eher nichts verloren. Wenn du aber die Ruhe, vielleicht zwar nicht suchst, aber zumindest gerne hast, wenn du es liebst, in versunkene Welten einzutauchen, in magisch, morbiden Palazzi übernachten möchtest, dich auf Begegnungen mit lokalen Menschen einzulassen bereit bist, mit ihnen an ein und demselben Tisch sitzen magst, du dich vor deftigem Essen und kräftigem Wein nicht fürchtest, dann wirst du das Priorat niemals vergessen.

Und dann wüsste ich natürlich schon, was du machen könntest. Immerhin, es ist nicht mehr als einen Steinwurf von Barcelona entfernt. Nimm dir also ein Auto, nachdem du in Barcelona gelandet bist, oder vielleicht auch eine Nacht in der Stadt verbracht hast - das lohnt sich ja allemal - und fahr in den Südwesten, Richtung Tarragona.

Wenn du dann endlich vor REUS abbiegst Richtung FALSET, dann bist du schon fast angekommen. Eigentlich bist du zwar noch in der DO (Denominacion de Origen) MONTSANT, aber FALSET ist quasi das Tor zum Priorat. Ich persönlich würde mich ja nicht länger als nötig in der Kleinstadt aufhalten, aber zur Not kann man auch dort schlafen und auch recht gut essen, zum Beispiel im CELLAR DEL ASPIC, auch wenn sie mitunter ein wenig schnöselig daherkommen. G'scheiter fänd' ich's aber allemal, du telefonierst vorher und machst einen Besuch auf einem der Weingüter, bei JAUME BALAGUER zum Beispiel in GRATALLOPS. Ruf ihn an, geh vorbei, und du bist mitten im Priorat gelandet. Vielleicht hat er Zeit und zeigt dir seinen Keller, vielleicht sogar seine Rebberge, ansonsten kannst du bei ihm auch gut essen im EL PIRO in Gratallops. Ich sag das deswegen, weil Jaume, einer dieser ‚jungen Wilden’ ist, die sehr mit der Region und der Geschichte verwurzelt sind und dennoch sehr aufmerksam nach vorne schauen und der auch weiß, was dich interessieren wird. Und wenn du dann nach dem Mittagessen so gegen 5 (!, tja da führt halt leider kein Weg vorbei) aufbrichst und deine Herberge suchst, dann hoffe ich inständig, dass du im CAL COMPTE bei Anna & Joaquim reserviert hast. Der morbide Charme dieses Herrschaftshauses ist durch fast nichts zu übertreffen, außer durch die Gastfreundschaft der beiden selbstverständlich. Andere würden aus dem Haus einen 100 Betten Tempel machen, Anna und Joaquim begnügen sich mit ein paar Zimmern, wahrscheinlich weil mehr Menschen an ihrem Tisch keinen Platz hätten, und weil Joaquim dann nicht mehr selbst kochen könnte, vor allem weil jederzeit noch Freunde und Bekannte dazu stoßen könnten. Vielleicht bist du aber auch ganz alleine in dem großen Haus, ich will dir da gar nichts garantieren, denn ich habe es ja schon erwähnt, allzu viele Touristen verirren sich nicht nach TORROJA DEL PRIORAT.

Außer Wein und Bergen gibt es ja auch nicht so viel zu sehen, mit Ausnahme der Klöster natürlich, mit denen alles begann. Und wenn du schon mal da bist, ein Besuch in der CARTEAUX DE ESCALADEI (Ja, ja, ja… du denkst richtig: es ist benannt nach der Himmelsleiter, die irgend so ein Hirtenjunge irgendwann im Jahre Schnee - also 1193 oder so - gesehen haben will, und derentwegen dann die Mönche und das Kloster und das alles - du weißt schon: Lies es nach, wenn du möchtest)... Jedenfalls. Escaladei: sehr eindrücklich und wenn du schon dabei bist: Geduld und Lust am Kurvenfahren mitbringst: fahr hinauf nach SIURANA. Das ist dort, wo all die Kletterer sind. Und ich muss zugeben: falls ich auf die Idee kommen sollte, mich an einem Seil in eine hunderte Meter hohe Wand zu hängen - Gott behüte - dann müsste es schon an einem Ort wie SIURANA sein, denn schöner geht's wahrscheinlich nimmer.

Was dann unbedingt sein muss, versprich mir das - ich meine, ich hab' ja nix davon, außer der Genugtuung, dass du zurück kommst und sagst, Gott bin ich froh, dass du mich dort hin geschickt hast - fahr nach POBOLEDA zum Essen. PIETER TRUYS hat im BROTS in Poboleda seine Heimat gefunden. Nachdem er über 20 Jahre in Belgien, Frankreich und Spanien in Sterneküchen und zuletzt als Sternekoch im EL BOSCH in CAMBRILS gekocht hat, kocht er dann, wenn du im Priorat bist, quasi nur für dich. In seinem Restaurant hat es Platz für ein paar Leute, er kocht alleine mit einer Küchenhilfe, und der Service ist so persönlich, dass du zahlst und gehst und glaubst, du bist befreundet - ehrlich. Darum musst du auch nicht lange diskutieren, was es zu essen gibt, und da du ja schon einige Zeit in Katalonien verbracht hast, weißt du ja auch schon, dass für einen Tisch ein Menu gekocht wird, ansonsten wird's zu kompliziert. Verlass dich also auf Pieter, einen begnadeten Handwerker, der sich die Sache so schwierig wie nur möglich macht, weil er davon überzeugt ist, dass nur Produkte, die viel Aufwand, viel Manipulation durch den Koch benötigen, fordernd genug für seine Küche sind. Das Brot wird selbst gebacken, Gemüse im eigenen Garten gezogen, der Lachs im Haus gebeizt, Würste gemacht, Eiscreme auch - gut das versteht sich wohl von selbst. Bei den Innereien, der Kalbszunge etc. kann man sich getrost fragen, während sie einem auf der Zunge zergeht, wie wir hier in den Metropolen dieser Welt auch nur auf die Idee kommen konnten, diese Teile wegzuwerfen. Das alles zu einem Preis, wo man Mühe hat in London, Paris oder Zürich einen Teller Spaghetti, Fish & Chips und ein Glas Wasser zu bekommen - aber das ist jetzt natürlich eine ganz andere Geschichte.

Und jetzt nur noch eines: Wie lange auch immer du bleiben willst. Häng noch einen Tag dran - zumindest einen halben Tag - nur um auf einen Berg zu laufen, in einem dieser schiefrigen Weingärten zu sitzen, die wilden Kräuter zu riechen und den lieben Gott, einen lieben Gott sein zu lassen. Nimm eine Flasche CERCOL vom Jaume BALAGUER mit und ein wenig Brot und Käse. Denn eines sag ich dir ganz ehrlich: Escaladei hin oder her, wenn's überall auf dieser Welt so schön wär' wie im Priorat, bräuchte es gar keine Himmelsleiter!

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avis choice

aCH der Österreicher empfiehlt

ESSEN UND TRINKEN

Zum Schlafen

Cal Compte. Torroja del Priorat

Zum Essen

Brots Restaurant in Poboleda

To Do

Carteaux de Escaladei: und ein Ausflug nach Siurana

Zur Vorbereitung

Die Weine von Jaume Balaguer,
erhältlich bei Rebwein