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06/aCHzig_Tempel, Tanz und Taurasi

Campania 2015. Es ist ja so eine Geschichte mit der Geschichte. Für die einen ist sie ein Haufen Steine, für manche ein Zahlenfriedhof. Für andere bloß Fakten und für viele auch nur viele Worte, Geschichten und Anekdoten. Auf jeden Fall aber ist Geschichte - und so sehe ich das zumindest - Teil von uns allen. Nichts, kein Fahrrad in China, kein Reiskorn in Indien und keine Nadel im Heuhaufen, ist ohne Einfluss auf uns. Und wenn es so gesehen wohl keinen Ort auf dieser Erde gibt, der keine Geschichte in sich trägt, Geschichten zu erzählen vermag, so gibt es doch Orte, an denen diese, unsere Geschichte ganz deutlich zum Vorschein kommt.

An einem solchen Ort befindest du dich hier in Paestum. Und auch wenn es allerlei Gründe geben mag nach Napoli, nach Campania, zu reisen, ein Besuch hier in Paestum ist allemal bereichernd und es tut auch gar nicht weh. Mit einem Wort, ich will es dir ganz ausdrücklich empfehlen!
Nicht nur, weil du hier die einzig erhaltene, griechische Stadtmauer sehen kannst, nicht nur weil der Heratempel der größte und schönste einer ganzen Epoche ist. Nicht nur weil die ganze Anlage von Paestum einen Abriss über 2500 Jahre Kulturgeschichte gibt - mehrere Epochen und Kulturen.
Vor allem, weil es ein Ort ist, an dem Geschichte spürbar ist.
Vielleicht hast du ja Glück und bist so wie ich, Teil von einem großen Fest am Rande der Tempelstadt im Ristorante Nettuno tanzt in die aufgehende Sonne und begreifst mit ein wenig Imagination, dass die Etrusker, die Phönizier, die Griechen und die Römer im Grunde genommen dieselben Feste gefeiert haben wie wir heute. Sie mögen die Feste anders genannt haben, sie mögen anders gekleidet gewesen sein. Geschenkt! Aber sie haben den gleichen Wein getrunken, ähnliches gegessen, ähnliches gedacht, so wie wir getanzt und diskutiert. Gelacht und in jedem Fall auf die gleiche Art und Weise geküsst und geliebt. So gesehen hat sich nicht allzu viel geändert und man muss sich alles andere als genieren, wenn man sich mit versunkenen Kulturen verwandt fühlt.
Aber bevor ich hier ins Pathetische abdrifte, lass uns doch über Essen und Trinken reden. Beim Küssen will ich dir ja ohnehin nicht drein reden. Denn das Essen und das Trinken das war früher nicht mehr oder weniger wichtig als heute. Auch wenn mehrheitlich nur die Reste der Tempel erhalten blieben, und all die Rituale und großen Sachen überliefert sind, auch die Griechen und die Römer haben mehr Zeit mit Alltag verbracht, als mit Kriegen oder kultischem Beischlaf zum Beispiel - der wird ja ohnehin völlig überbewertet, finde ich.   
Was das Essen betrifft gilt in Campania eine einzige wichtige Regel: Vergiss alles, was du über Mozzarella zu wissen glaubst. Mozzarella aus dem Supermarkt und biologisch produzierter, von der Tenuta Vannulo zum Beispiel, das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Wenn du Zeit geh auf dem Betrieb vorbei und schau dir an, wie Mozzarella di bufallo gemacht wird. Ansonsten bestell im Restaurant einmal Mozzarella zur Vorspeise - sehr italienisch - it’s all about the product - und du wirst verstehen, was ich meine. Der pure Käse, schün abgetropft – so muss es sein –und man glaubt es kaum, wie aromatisch der sein kann, wie herrlich in der Textur. Als Dilettant in der Küche, der gewohnt ist, mit viel, viel Aufwand die Gerichte abzutrotzen, da kann einem schon ein gfreundliches Schmunzeln über die Lippen huschen, wenn man sieht, mit vie wenig Aufwand diese Italiener perfekte Gerichte auf den Teller zaubern.
Was den Wein betrifft - da sind wir wieder, quod erat expectandum, mitten in der Geschichte gelandet. Denn wie ein sehr intelligenter Mensch einmal gesagt hat: es ist sehr viel Terroir in einer Flasche Wein, definitiv aber sehr viel mehr Geschichte. Und wenn du nach Campania schaust, dann musst du drei Rebsorten kennen. Es gibt natürlich sehr viel mehr, aber die drei helfen dir schon, die Region zu verstehen. Greco di tufo - du ahnst es schon, eine Rebe, die die Griechen gebracht haben und Fiano, von den Römern kultiviert, das sind die beiden maßgeblichen weißen Rebsorten, die die gleichnamigen Weinstile prägen. Die rote Aglianico, auch eine alte hellenische Rebsorte, ist wiederum für den prominentesten Rotwein in Campania verantwortlich, den Taurasi und auch die älteste DOCG der Provinz. Diese drei DOCG's, Taurasi, Greco di tufo und Fiano di Avellino, bilden das Herzstück des Weinbaus der Region. Alle drei sind in der Provinz Avellino, ausserhalb Neapels und am Fuße des Vesuvs gelegen. Das macht auch durchaus Sinn, denn die höheren Lagen auf vulkanischem Boden in Kombination mit reichlich Niederschlag garantieren beste Ergebnisse. Das heißt aber noch lange nicht, dass es nicht auch anderswo sehr viele gute Sachen zu entdecken gibt. Bis an die Grenze zu Basilikata im Süden ziehen sich pittoreske Hügelketten an der Küste des Tyrhennischen Meeres und an vielen Ecken und Enden spürt man den Aufbruch der Region und die Rückbesinnung auf eine Zeit, in der Campania oder Oenotria, wie die Römer die Region nannten, für beste Weine im gesamten Römischen Reich berühmt waren. Aber dann: Vesuv, Pompeij, die ganze traurige Geschichte - du erinnerst dich vielleicht... Wenn nicht, ein Blick in die Geschichtsbücher hilft. Eine der schönsten Regionen dabei ist das Cilento und eine der grüßten Entdeckungen dabei die Azienda Agricola San Salvatore. Sehr junge, sehr moderne Weine - aber wer sagt denn, dass modern schlecht ist, eben. Die Qualität ist hervorragend, die Produktion biologisch, der Auftritt sehr sexy, was will man mehr!
Und ob du es glaubst oder nicht, ich bin mir ziemlich sicher, ich war dort nicht zum letzten Mal!

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Dein Avi


avis choice

aCH der Österreicher empfiehlt

Der Wein

-aus dem CILENTO: San Salvatore 1988
Azienda Agricola San Salvatore 1988
: http://www.sansalvatore1988.it

Location

Ristorante Nettuno Zona Archeologica
Location – und dann noch ein anständiger Koch und ein brauchbarer Weinkeller – Ristorante Nettuno Zona Archeologica http://www.ristorantenettuno.com/

Mozzarella und mehr:

- Tenuta Vannulo Tenuta Vannulo
http://www.vannulo.it

Zum Schlafen:

im Schatten der Ruinen:
Villa Rita http://www.hotelvillarita.it/

 

was für die Bildung:

der Parco Archeologico und das Museo sind gleichermassen sehenswert und beeindruckend: Parco Archeologicohttp://www.museopaestum.beniculturali.it

und immer gut und sehr schön zum Nachlesen: Michael Köhlmeier

Michael Köhlmeier, Das grosse Sagenbuch des klassischen Altertums. Auch als Hörbuch, für den Fall, du fährst mit dem Autongen Süden...!